Interview Deutschlandradio Kultur / Januar 2013

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Fukushima, my love

„Diese Performance erhellt den Schatten, den sie vorauswirft.“
Die Welt, 19.02.2013 (siehe unten)

„Fukushima, my love“ vermittelt kunstvoll Wissen, GefĂŒhl und VerstĂ€ndnis zu Fukushima und der japanischen Kultur.
NowOut, 10.06.2013

„Unfassbar und unsichtbar bleibt die verheerende Strahlung letztlich auch an diesem knapp zweistĂŒndigen Abend. Aber die zeitarchĂ€ologische AnnĂ€herung an den glĂŒhenden Kern der Katastrophe durch die Hamburger GĂ€ste sorgte doch fĂŒr eine ganz erhebliche Sensibilisierung hinsichtlich der fatalen Konsequenzen.“
Rhein-Neckar-Zeitung, 04.10.2013

1,5 Jahre nach der Dreifach-Katastrophe reiste Felix Meyer-Christian im Oktober 2012 in die PrĂ€fektur Fukushima, an die Orte die vom Tsunami vernichtet wurden oder aufgrund des Reaktorunfalls schlagartig verlassen wurden und heute verstrahlt und verwachsen sind, um mit den Menschen vor Ort ĂŒber ihre Erlebnisse zu sprechen. Er kehrte zurĂŒck mit zahlreichen Interviews, Sounds und Videos. In „Fukushima, my love“ ĂŒberprĂŒft die Costa Compagnie nun, ob sich die zeitliche, rĂ€umliche und kulturelle Distanz zu den Ereignissen der Katastrophe verringern lĂ€sst. FĂŒnf Performer*innen, eine Musikerin und ein VideokĂŒnstler nĂ€hern sich anhand der 35 vor Ort gefĂŒhrten Interviews, dem Film „Hiroshima, mon amour“ und ĂŒber eine Vielzahl japanischer Mythen dem Unbegreiflichen. Es entsteht ein performativer, medial dichter Essay – in dem sich das Publikum inmitten der BĂŒhne befindet – zwischen Tanz, situativer Installation und Theater, welcher die Frage fokussiert: Was ist der Mensch in der Katastrophe?

TEAM

KĂŒnstlerische Leitung, Kamera & Text
Felix Meyer-Christian

Choreographie & Tanz
Signe Koefoed, Frank Koenen / Robert Bell, Jascha ViehstÀdt, Maria Walser

Performance
Christina Flick, Dennis Pörtner / Hauke Heumann

Audio
Katharina Kellermann

Video
Jonas PlĂŒmke

BĂŒhne & KostĂŒm
Anika Marquardt, Lani Tran-Duc

Dramaturgie & Kurator der 72std-ArchÀologie
Sven Christian Schuch

Assistenz
Numan Jadallah, Anita Könning, Nicole Nowak

72std-Special Guest
Chikako Kaido (Choreographie & Tanz), Antonio Stella (KĂŒnstl. Mitarbeit)

Recherche in Japan
Felix Meyer-Christian

Übersetzerin in Fukushima Prefecture
Zheng Mingxin

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TERMINE / GASTSPIELE

Premiere: Januar 2013 | Fleetstreet Theater Hamburg
Nationaltheater Weimar (E-Werk), Juni 2013
Theater Bremen (OutNow-Festival), Juli 2013
Theater und Orchester Heidelberg (Eröffnung Doppelpass-Residency), Oktober 2013
Thalia Theater Hamburg (150%-Festival), April 2014

PRESSE

Die Welt, 19.01.2013
Die Atomkatastrophe kommt auf die BĂŒhne
„Fukushima, my love“ der Costa Compagnie hat im Fleetstreet Theater Premiere

Von Stefan Grund

Fleetstreet. Diese Performance erhellt den Schatten, den sie vorauswirft. „Fukushima, my love“ hat Theatertruppen-Leiter Felix Meyer-Christian sein StĂŒck genannt, eine Anspielung auf den Film „Hiroshima, mon amour“, den Regisseur Alain Resnais nach dem Buch von Marguerite Duras 1959 ins Kino brachte. Duras und Resnais nĂ€herten sich der Zerstörung Hiroshimas durch die Atombombe kĂŒnstlerisch ĂŒber den Spiegel einer Liebesgeschichte. Meyer-Christian und seine Costa Compagnie treten von Sonnabend an im Fleetstreet Theater umsichtig und kĂŒnstlerisch vielschichtig an die Dreifachkatastrophe von Fukushima und ihre Folgen heran – und schlagen den Bogen zu Hiroshima.

Das Erdbeben, der Tsunami und die Zerstörung der Atommeiler in Fukushima liegen anderthalb Jahre zurĂŒck. Sieben TĂ€nzer, Performer, Musiker und VideokĂŒnstler, machen diverse Erfahrungen mit Blick auf die Katastrophe nachfĂŒhlbar. „Sinnlich-essayistisch“ soll laut Untertitel erzĂ€hlt werden. Dabei greift das StĂŒck auf Videomaterial zurĂŒck, das Meyer-Christian im Oktober vergangenen Jahres auf einer dreiwöchigen Recherche-Tour durch Japan aufzeichnete. Anschließend begann er damit, auf der Basis von 35 gefilmten Interviews, den Theatertext zu schreiben. Im Dezember erarbeitete der Absolvent des Hamburger Regiestudiengangs dann gemeinsam mit der vollen Besetzung von 14 Beteiligten die Performance.

Das zentrale, klassische ErzĂ€hlelement des Abends ist der Botenbericht aus dem antiken Theater. Was der moderne Bote aus dem heutigen Japan mitbringt, ist neben den messbaren Folgen der Verstrahlung der Versuch, den gesellschaftlichen Umgang mit dem PhĂ€nomen Fukushima im Land der Betroffenen zu begreifen. „Im Gegensatz zum Westen, wo das Individuum im Mittelpunkt aller Überlegungen steht, empfindet sich der Japaner zunĂ€chst als dienendes Mitglied der Gemeinschaft und denkt von außen nach innen“, erzĂ€hlt Meyer-Christian, „wobei die Reihenfolge der Überlegungen folgende ist: Was bedeutet das erstens fĂŒr mein Land, zweitens fĂŒr meine Region, drittens fĂŒr meine Nachbarschaft und Familie und viertens fĂŒr mein berufliches Umfeld. Erst danach gestattet der Japaner es sich, an sich selbst zu denken.“

Alle Überlegungen seien dabei eng mit den alltagsprĂ€genden Religionen Shinto und Buddhismus verknĂŒpft, so der Autor, selbst die Geschichtsschreibung sei erzĂ€hlend und den im Alltag gegenwĂ€rtigen Mythen verbunden. Aktivisten gegen die Atomenergie gerieten leicht ins soziale Abseits, berichtet der Autor von seiner Reise. So habe er einen Mann kennengelernt, der es Kindern aus stark verstrahlten Gebieten in Fukushima ermöglicht, fĂŒr einem Monat im Jahr die Stadt zu verlassen und damit der Strahlung zu entkommen. Von Professoren der stĂ€dtischen UniversitĂ€t wurde dieser Mann deshalb als regierungskritisches Subjekt betrachtet, dem man sich mit Vorsicht zu nĂ€hern habe. Dennoch gebe es gerade unter Studenten Protest nach westlichem Muster, insgesamt nicht mehr als die Keimzelle einer Anti-AKW-Bewegung, die jedoch auf dem betroffenen Land um Fukushima herum kaum Resonanz fĂ€nde. Die Studenten unterstĂŒtzten Meyer-Christian bei seiner Recherche. Eine Studentin dolmetschte, denn auf dem Land, auch im Gebiet in der 20-Kilometer-Sperrzone um die Reaktoren herum, spricht kaum jemand Englisch oder gar Deutsch.

Die dramatische Lage vor Ort, die kulturellen Unterschiede in der BewĂ€ltigung sollen nun in der Performance dem Publikum vermittelt werden. Dabei untersucht die Costa Compagnie die grundsĂ€tzliche Frage „Was ist der Mensch in der Katastrophe?“ Ermöglicht wird die AuffĂŒhrung durch die Hamburger Kulturbehörde im Rahmen der Produktionsförderung 2012/13. Danach folgen die Hamburgische Kulturstiftung, das Fleetstreet Residency Programme und die Rudolf Augstein Stiftung. Kooperationspartner war das K3-Zentrum fĂŒr Choreographie.
„Fukushima, my love“ Sa 19.1. (ausverkauft), 23.-26.1., jeweils 19.00, Fleetstreet Theater (S StadthausbrĂŒcke), AdmiralitĂ€tstraße 76

Rhein-Neckar-Zeitung, 04.10.2013
„Fukushima, my love“: Die dritte Atombombe fĂŒr Japan

von Heribert Vogt
Ein Theaterabend, der einem wirklich die Schuhe auszieht. ZunĂ€chst im direkten Sinn, denn vor Betreten der SpielstĂ€tte mĂŒssen die Besucher nach japanischer Sitte ihre Schuhe abstellen. Aber dann zieht die AuffĂŒhrung „Fukushima, my love“ dem Besucher auch insofern „die Schuhe aus“, als sie die massenmedial verbreiteten – und schon gewohnten – Bilder von der Atomkatastrophe in Japan durchbricht und ihre schrecklichen Auswirkungen ganz nah herankommen lĂ€sst.

Mit dieser eindrucksvollen Tanz-Performance stellte sich die Hamburger „costa compagnie“ erstmals als Kooperationspartner des Heidelberger Theaters vor. Denn das Gastspiel bildete den Auftakt des zweijĂ€hrigen gemeinsamen Projekts „Conversion“, das die vergangene PrĂ€senz der Amerikaner in Heidelberg mit einer Reihe von BĂŒhnenarbeiten untersucht. Gefördert wird diese Zusammenarbeit durch den Fonds Doppelpass der Bundeskulturstiftung.

Einen Vorgeschmack auf ihr „Konzept einer ArchĂ€ologie der Gegenwart“ gab die Theaterformation jetzt mit der „Fukushima“-Inszenierung von Felix Meyer-Christian. Denn aus der alltĂ€glichen Wahrnehmung „ausgegraben“ wurde die weitgehend verdrĂ€ngte tödliche Dimension der atomaren Havarie. Nachdem man die Schuhe ausgezogen hat, betritt man eine andere Welt, die nichts mehr mit dem Alltag da draußen zu tun hat. Man befindet sich in einem großen, ganz in weiß gehaltenen rechteckigen Raum mit hohen WĂ€nden, der fast leer ist. Nur ebenfalls weiße Styropor-WĂŒrfel bieten den Zuschauern mobile Sitzgelegenheiten.

Aber diese Welt ist nicht nur unwirtlich, sondern offenbar auch ganz aus den Fugen geraten, wie der wiederum weiße Boden andeutet (BĂŒhnenraum: Anika Marquardt / Lani Tran-Duc). Er ist nicht eben, sondern besteht aus zahlreichen rechteckigen FlĂ€chen ganz unterschiedlicher Höhen – als hĂ€tte eine dunkle Macht die begehbare OberflĂ€che komplett verschoben. Irgendwo in der Mitte dieser BodenflĂ€chen ist ein leeres Loch ausgespart, das fĂŒr die unheilvollen AbgrĂŒnde des NuklearunglĂŒcks stehen mag.

Zu den einprĂ€gsamsten Szenen des Abends zĂ€hlt das schon fast laokoon-artig verstrickt wirkende Miteinander von vier Akteuren, die sich dagegen wehren, in diesen Abgrund hineingezogen zu werden. Die drei TĂ€nzer Signe Koefoed, Robert Bell und Jascha ViehstĂ€dt sowie die beiden Performer Maria Walser und Dennis Pörtner sind ansonsten fast immer isoliert unterwegs oder fĂŒhren in zergliederten Aktionen synchrone, maschinell wirkende Bewegungen aus. Dabei tragen sie lockere Alltagskleidung mit wenigen japantypischen Akzenten (KostĂŒm und BĂŒhnenraum: Anika Marquardt/Lani Tran-Duc).

Alle SinnzusammenhĂ€nge sind hier zersprengt, und ihre BruchstĂŒcke werden im steril wirkenden Raum der AuffĂŒhrung disparat montiert. Dazu zĂ€hlen etwa die so unwegsam arrangierten BodenflĂ€chen, aber der Theaterabend konfrontiert noch mit ganz anderen BruchstĂŒcken: mit TextflĂ€chen aus japanischer Mythologie und Literatur, fremdartig wirkenden KlangflĂ€chen (Musik und Sounddesign: Katharina Kellermann), riesigen VideoflĂ€chen aus dem japanischen Alltag auf zwei gegenĂŒberliegenden WĂ€nden (Video: Jonas PlĂŒmke) und eben auch so fremdartigen wie faszinierenden BewegungsflĂ€chen der Akteure.

FĂŒr diese große BĂŒhnencollage, in der auch die Zuschauer unterwegs sind, hat die Theatergruppe anderthalb Jahre nach der Fukushima-Katastrophe in Japan recherchiert und dokumentarisches Material gesammelt. In dem dargebotenen Sinnenrausch transportiert es ein eigenstĂ€ndiges Bild des fernen Inselstaats und seines Umgangs mit der letztlich unsagbaren Bedrohung. Nur ahnen lassen sich die Gefahren durch Verstrahlung etwa fĂŒr Leib und Leben von Kindern oder jungen Frauen in der Umgebung des Atomkraftwerks. Und hĂ€u-fig kommt Hiroshima zur Sprache, dessen Leid heute kaum noch in Worte gefasst werden kann. So wird denn auch einmal Fukushima nach Hiroshima und Nagasaki als „dritte Atombombe“ fĂŒr Japan bezeichnet.

Unfassbar und unsichtbar bleibt die verheerende Strahlung letztlich auch an diesem knapp zweistĂŒndigen Abend. Aber die zeitarchĂ€ologische AnnĂ€herung an den glĂŒhenden Kern der Katastrophe durch die Hamburger GĂ€ste sorgte doch fĂŒr eine ganz erhebliche Sensibilisierung hinsichtlich der fatalen Konsequenzen – denn man fĂŒhlte sich doch stark an das nahe Tschernobyl von 1986 erinnert.

Nun darf man gespannt sein, was die neue Kooperation zwischen Heidelberg und Hamburg zur fast 70-jĂ€hrigen PrĂ€senz der Amerikaner auf der BĂŒhne zutage fördert.

Now!Out
the daily Paper of the OUTNOW! festival 2013, 10.06.2013

FUKUSHIMA, MY LOVE
Im Kleinen Haus des Theaters Bremen erinnert die costa compagnie an das ReaktorunglĂŒck in Fukushima und bringt dem Publikum die japanische Kultur nĂ€her.

von Carolin Nieder

Japan erlebte im zweiten Weltkrieg zwei atomare Angriffe auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA. Als dritte Atombombe gilt der Super-GAU in Fukushima. Eine japanische Metapher fĂŒr diese Bomben ist Godzilla. Auch er findet seinen Weg auf die BĂŒhne von „Fukushima, my love“.

Die costa compagnie vermittelt in „Fukushima, my love“ AnsĂ€tze, um das japanische UnglĂŒck besser verstehen zu können. Was ist der Mensch in der Katastrophe? Felix Meyer-Christian, GrĂŒnder der costa compagnie, wollte es wissen und reiste im Oktober 2012 nach Japan. Er kam mit Interviews, Geschichten und Aufnahmen zurĂŒck, die als Grundlage fĂŒr „Fukushima, my love“ dienen. Tanz, Installation, Theater, Video und Musik sind zu einer rund 110-minĂŒtigen Performance verknĂŒpft, die ihren Reiz nicht zuletzt aus dem interessanten Raumkonzept bezieht. Das Publikum befindet sich auf der BĂŒhne und wird durch Standortwechsel Teil einer situativen Installation.

Eine wichtige Erkenntnis, die das StĂŒck vermittelt, ist die StĂ€rke, die der Mensch durch Zusammenarbeit erfĂ€hrt. „Das Kollektiv findet seine ErfĂŒllung in der Katastrophe“, in der sich das Individuum auflöst. Ein Teil der Frage, was der Mensch in der Katastrophe sei, wird dadurch beantwortet. Doch „fĂŒr eine Frage gibt es kein Ende“, denn alles erscheint zu komplex und eine jede Zukunft ungewiss, dass man fĂŒr eine Frage keine endgĂŒltige Antwort findet.

Die Namensgebung des StĂŒcks hĂ€tte nicht treffender sein können. „Fukushima, my love“ zieht eine Parallele zu dem Film „Hiroshima, mon amour“. Neben Fukushima spielt Hiroshima in dem StĂŒck der costa compagnie eine große Rolle. Eine Mischung aus Mythologie, Wissenschaft und RealitĂ€t macht das StĂŒck zu einem bunten, aber auch bedrĂŒckenden Erlebnis. Doch vor allem Hoffnung wird in „Fukushima, my love“ deutlich. Die Interviews sind so gewĂ€hlt, dass StĂ€rke und Zuversicht mitschwingen. Durch die Bewegungen der drei TĂ€nzer wird dieser Eindruck noch verstĂ€rkt. Trotz großem Kraftaufwand wird nicht aufgegeben. „Fukushima, my love“ vermittelt kunstvoll Wissen, GefĂŒhl und VerstĂ€ndnis zu Fukushima und der japanischen Kultur. Besonders hervorzuheben ist die Leistung des Ensembles, das das Publikum durch teils waghalsige Darbietungen in Spannung versetzt. Eine vermittelnde Performance der Extraklasse!

Eine Produktion der costa compagnie.
Gefördert durch

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Logo Fleetstreet

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Die Gastspiel in Heidelberg wird gefördert im Fonds Doppelpass der
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Außerdem mit der freundlichen UnterstĂŒtzung durch

die Firma Werner KĂŒrsten (Kartonagen), die Firma allbuyone (Eventbedarf), habitat (Inneneinrichtung), Sautter & Lackmann (Fachbuchhandlung), Kampnagel Hamburg und JustMusic Hamburg!