DS8_1889.jpg

Herz der Finsternis

nach Joseph Conrad

„Felix Meyer-Christian baut – mit gedanklicher Schärfe und kĂĽnstlerischer Widerständigkeit – eine artistische Stromschnelle in den sich konsumfreundlich und träge dahinwälzenden Theater-Mainstream.“ (Hamburger Abendblatt, 12.09.2012, siehe unten)

Zwei Schauspieler, eine Tänzerin und eine Musikerin erarbeiten sich den Weg des Erzählers Marlow in den Dschungel hinein und setzen sich und das Publikum dem Sog der Sprache Conrads aus.
Dieser beschrieb in seiner Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus des 19. Jahrhunderts die Angst vor dem Fremden und die Geburt einer neuen Idee: „Vernichtet all die Bestien.“ Marlow, Kapitän einer belgischen Handelskompanie, begibt sich zu einer endlosen Fahrt auf den Kongo, um an deren Ende den Elfenbeinhändler Kurtz zu konfrontieren. Je tiefer er in das Herz der Finsternis vordringt, desto durchlässiger werden die Grenzen zwischen Traum und Realität, Faszination und Schrecken, dem Fremden und dem Eigenen gegenüber – Apocalypse Now!
Hannah Arendt bewertete den Roman als entscheidendes Dokument, das über seinen realhistorischen Gehalt hinaus Vergangenheit und Zukunft bis heute lesbar und den Komplex von Kapitalismus, Unterdrückung, Rassismus und Genozid zugänglich macht. Eine Geschichte, die sich in der heutigen Figur des russischen Waffenhändlers Viktor Bout ebenso spiegelt, wie in zahlreichen zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen, und die eine genozidäre Urszene des 20. Jahrhunderts bereits beinhaltet.
START-OFF-Wettbewerb 2012

TERMINE

Premiere: Lichthof-Theater Hamburg, September 2012

Gastspiel: Maxim Gorki Theater Berlin, Studio, Februar 2013

PRESSE

Hamburger Abendblatt, 12.09.2012

Von der Angst vor dem Fremden und der Wildnis
„Herz der Finsternis“ im Lichthof ist ein gekonnt inszenierter Trip ins Grauen

HAMBURG. Eine Kunststoffplane verdeckt im Lichthof-Saal riffartig aufragend die ZuschauertribĂĽne. Die Besucher stehen ratlos vor dem Hindernis. Sie fĂĽhlen sich fremd, unbequem ohne Sitzgelegenheiten, wie ausgesetzt. Ă„hnliche Orientierungslosigkeit empfand wohl Kapitän Marlow bei seiner Ankunft im Kongo in Joseph Conrads Erzählung „Herz der Finsternis“.
Auf den Spuren von dessen Flussreise steigert Felix Meyer-Christian in seiner Multimedia-Performance nach Conrads Stoff die Dosis an Irritationen: mit erzählten Schreckensszenen, grotesken Tänzen und dem tödlichen Schlussritual gespenstischer Lemuren. Er zeigt im szenischen Essay ĂĽber die Angst vor dem Fremden und die anmaĂźende Herrschaft der Kolonialherren ĂĽber die „Wilden“, wie „zivilisierte“ Menschen Schritt fĂĽr Schritt zu den von ihnen verachteten, versklavten und vernichteten „Monstern“ mutieren.
Ein Dutzend Donnerbleche begrenzt in der Rauminstallation von Eylien König die Spielfläche, bildet den undurchdringlichen Wall des Urwalds und dient zugleich als Projektionsfläche fĂĽr Signe Koefoeds atmosphärische Videomontage. Die beängstigend intensive Tänzerin und Choreografin – inspiriert durch Afro-Tanz und den an Exzess und Körpergrenzen rĂĽhrenden japanischen Butho – verkörpert das Fremde in der Konfrontation mit den die Conrad-Prosa sprechenden Schauspielern Lisa Flachmeyer und Meyer-Christian.
Der Regisseur, für den erkrankten Paul Walther eingesprungen, las zwar den Text, agierte jedoch mit, sodass der Trip ins Grauen ungehindert seinen Sog entfalten konnte. So spannte Meyer-Christian in der Szenen-Collage auch den Bogen von den mörderischen Machenschaften der weißen Elfenbeinhändler bis zu den skrupellosen Waffenverschiebern in gegenwärtige Kriegszonen.
In der zuweilen quälend rituellen „Austreibung des Bösen“ macht es Felix Meyer-Christian, ein entschiedener Moralist, weder sich noch dem Publikum einfach. Doch packt er am konzessionslosen Abend, ähnlich seinen anderen historisch-kritischen Recherchen, ein verdrängtes heiĂźes Thema an. Und baut – mit gedanklicher Schärfe und kĂĽnstlerischer Widerständigkeit – eine artistische Stromschnelle in den sich konsumfreundlich und träge dahinwälzenden Theater-Mainstream.(-itz)

VON UND MIT

Lisa Flachmeyer, Katharina Kellermann, Signe Koefoed, Paul Walther

Regie & Text
Felix Meyer-Christian

Choreographie & Tanz
Signe Koefoed

Dramaturgie
Stawrula Panagiotaki

BĂĽhne
Eylien König

KostĂĽm
Julia Berndt

Audio
Katharina Kellermann (live), Matthias Reiling

Video
Jonas PlĂĽmke

Licht
Sönke Herm

Assistenz
Liza Boban-Wyludda

Eine Produktion von LICHTHOF und costa compagnie.

Gefördert von der Hamburgischen Kulturstiftung, der Mara und Holger Cassens-Stiftung und der LICHTHOF-Stiftung.

Das Gastspiel am Maxim Gorki Theater wird ermöglicht durch die Ilse und Dr. Horst Rusch-Stiftung.