BUCH 2
HOCH HINAUS
Eine Sequenz von Performances der Künstlergruppe costa compagnie und Solo-Arbeiten der Beteiligten zur Raketenforschung Cuxhavens, Beiruts, Cape Canaverals
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ERÖFFNUNG Donnerstag, 22. Mai um 19 Uhr Hapag-Halle, Albert-Ballin-Platz 1, Cuxhaven
Begrüßung und Einführung
Hans Hochfeld 1. Vorsitzender Cuxhavener Kunstverein
Prof. Dr. Holger Hettinger Kurator „Vier Bücher“
Tarun Kade Dramaturg Theater Bremen
Öffungszeiten der Ausstellung Mi. – Fr. 10-13 Uhr und Sa. + So. 11-14 Uhr sowie nach Vereinbarung
Ausstellungsorte
Hapag-Halle Albert-Ballin-Platz 1, Cuxhaven
Ehemalige Nordsee-Kantine Baudirektor-Hahn-Straße 22, Cuxhaven
Kontakt Tel.: 04721-664941 info@kunstverein-cuxhaven.de
kunstverein-cuxhaven.de
Öffentliche Führung Sa. 24. Mai um 11 Uhr
So. 25. Mai um 11 Uhr
VON UND MIT
Christina Flick
Jonas Plümke
Matthias Reiling
Zahava Rodrigo
Jascha Viehstädt
Kuratorische Assistenz
Silke Handelmann
Künstlerische Leitung
Felix Meyer-Christian
Utopie und Horror
Ein mehrdimensionales Objekt
von Christoph Brüggemeier
Die Rakete: Feuerwerkskörper, militärische Waffe und Raumfahrzeug. Die gegensätzlichen Bedeutungen des Begriffs werden assoziiert mit Utopie und Horror, Erkenntnis und Schrecken. Die in Cuxhaven in den 1930er Jahren beginnende Raketenforschung ist in der Stadt weitgehend unbekannt. Nur wenige CuxhavenerInnen haben von den Postraketen im Watt oder den Raketenexperimenten mit der unter den Nationalsozialisten entwickelten V2 im Wernerwald gehört. Es gibt keine Gedenktafel, kein Museum, die Spuren sind verwischt.
Andere Regionen der Welt gehen deutlich offener mit ihrer Raketenforschungsgeschichte um. Im Libanon besuchte Felix Meyer-Christian 2013 ein „Widerstandsmuseum“ der Hisbollah und die Beiruter Haigazian Universität. Anschließend besichtigte er in den USA das Raumfahrtmuseum der NASA. All diese Orte blicken voller Stolz und Propaganda auf ihre Raketenforschung zurück. In ausufernden Ausstellungsparks berichteten die Museum-Guides begeistert über die Geschichte der Orte – untermalt von heroischer Musik. Die mediale Darstellung von Raketen zeugt dabei von einer Idealisierung der Forschung, von militärischer Überlegenheit und wirtschaftlichem Wachstum, von Herrschaft und Hoffnung. Gleichzeitig spiegelt die Anwendung und Kontextualisierung des Objekts Rakete die jeweilige globalpolitische Situation ihrer Zeit wieder.
In der Ausstellung und den begleitenden performativen Führungen verschränkt die Gruppe das gesammelte dokumentarische Material aus Cuxhaven mit der ausufernden Raketeninszenierung im Libanon und in den USA. Durch Sammeln, Durchstreifen, Vermessen, Aufgreifen und Fallenlassen von Spuren und Orten produziert die costa cie. dabei performative Arbeiten in unterschiedlichsten Medien.
Die BesucherInnen werden zu ZuhörerInnen, BetrachterInnen und schließlich zu Mitwirkenden. Sie werden einerseits durch die Ausstellung geleitet und fragmentarisches Wissen wird vermittelt. Doch andererseits wird dieses Wissen über seine formale Vielfalt mehrfach hinterfragt. Die BesucherInnen gehen so bei der Führung ihren eigenen Weg und bestimmen damit auch den Ausgang der Geschichte selbst. Fakt und Fiktion verschwimmen und ergänzen sich einander stets. Bilder von Raketen aus dem Libanon, aus den USA und aus Cuxhaven vermischen sich mit den inneren Bildwelten der CuxhavenerInnen. Was ist sichtbar? Wer spricht? In welchem Verfahren werden die Bilder generiert? Und zu welchem Zweck?
Interview von Silke Handelmann, kuratorischer Assistenz des Cuxhavener Kunstvereins mit Felix Meyer-Christian, Künstler
„Die Besucher hinaus aufs Meer katapultiert“ Als Felix Meyer-Christian nach Cuxhaven kam, fand er das Thema Raketenforschung unter den Jahrzehnten der Zeitgeschichte begraben. Im Interview berichtet er von seinem Umgang mit der historischen Lücke. Mit deinen Kollegen von der Costa Compagnie hast du mit den weitläufigen Räumen rund um den Amerikahafen gearbeitet. Was war an dieser Aufgabe neu für dich? – Immerhin entstehen eure Arbeiten ja sonst meist auf der Bühne.
Das wirklich herausragende an der Arbeit war, dass wir die Möglichkeit hatten, ein so stark räumliches Bezugsthema wie das der Raketenforschung auf so großflächige Räumlichkeiten zu übertragen. Und in diesen Räumen konnten wir uns dann dem Format der Führung annähern und waren gleichzeitig in der Lage, Mixed Media-Ausstellungselemente , performative Sequenzen, partizipative Passagen und großformatige Installation zu einem Ganzen zu verbinden. Darüber hinaus war es auf diesem Wege möglich, die Einzelarbeiten in die Gruppenarbeit zu integrieren. Schwierig war es, in der Kürze der gemeinsamen zehn Tage vor allem, die räumlichen Distanzen zwischen den einzelnen Elementen rein praktisch zu- rückzulegen. Aber auch ein Gefühl für den formalen Zusammenhalt von Distanz, Medium und Inhalt zu erzeugen, war nicht einfach. Auch war es nicht ganz unkompliziert eine Balance zu entwerfen zwischen zeitgebundenen Performances und installativen Elementen. – Immerhin liegen die verschiedenen Räume ja recht weit auseinander. Dass wir und die Besucher schließlich direkt am Wasser, vor der Kulisse aus Nordsee und Elbmündung bei Sonnenuntergang endeten und danach ein Sturm losbrach, war super.
Du hast fünf Wochen allein in der Stadt verbracht und anschließend an zehn intensiven Tagen gemeinsam mit der Gruppe an „Hoch hinaus“ gearbeitet. Was habt ihr in dieser Zeit gemacht?
Ich hatte mich eingelesen und vor allem das Material im Libanon und in den USA für die Ausstellung generiert. Vor Ort haben wir uns zunächst grundorientiert. Danach haben wir die für uns historisch wichtigen Orte der Cuxhavener Raketenforschung aufgesucht, zum Beispiel den Wernerwald und das Watt. Da bin ich einfach viel Rad gefahren, habe mich um- geschaut, gefilmt, fotografiert oder einfach nur beobachtet. Wichtig war für mich die Entscheidung, nicht mit Zeitzeugen vor Ort zu sprechen, sondern mit dem Aspekt der Abwesenheit einer institutionalisierten Aufarbeitung umzugehen, so wie ich sie in Beirut, in Mleeta im Südlibanon und in Cape Canaveral in Florida in Form von Museen oder Ausstellungen vorgefunden hatte. Der Gedanke war also, hier selbst eine Aufarbeitung mit eigenen Werkzeugen zu entwerfen und eben mit der historischen Lücke zu arbeiten. Da- bei fragte ich mich: Was fördere ich hier mit welcher Methodik zu Tage? Was für inszenatorische Mechanismen will ich hinterfragen und selbst verwenden? Wie kontextualisiere ich die global-politische Komponente des Objekts Rakete hier in Cuxhaven, wo das Thema unter Jahrzehnten von Zeitgeschichte begraben liegt? Wirklich elementar war es dabei, ganz anders als im Kontext der performativen Künste zu arbeiten. Denn hier stand nicht das Ergebnis einer Recherche in Form einer Aufführung im Fokus, sondern die Frage nach den formalen Verfahrensweisen einer solchen Recherche. Wie werden Bilder generiert? Von wem? Zu welchem Zweck?
Am Eröffnungsabend habt ihr die Besucher durch die Hapag-Hallen und das Steubenhöft geführt. Warum? Grundsätzlich wollte ich das historisch-politische Format einer Führung aufgreifen, so wie ich sie bei der Darstellung von Raketen und ihrer Geschichte im Libanon und in den USA gesehen hatte – der Besucher als Teil der Arbeit. Dabei ging es uns um die Selbstermächtigung von historischen Zusammenhängen, um eine performativ-kollektive Reflexion, um Partizipation und Interaktion mit dem Ausstellungsobjekt und um die Verortung des eigenen Körpers im Raum und im Kontext der Ausstellungssituation. Der Besucher soll Manipulation, Steuerung und Inszenierung im künstlerischen Kontext hinterfragen. Interessant fand ich den Wechsel der unterschiedlichen Betrachtungsmöglichkeiten: Von Vitrine zu Zeichnung, Videoinstallation zu Videoperformance, Tanzvideo zu anwesend nackten Tänzern, White Cube zu Meer und Himmel. Schließlich konnte man die aneinander gereihten Gebäudeabschnitte, die an dem Abend durchlaufen wurden, wie eine am Bo- den liegende, horizontale Startrampe betrachten durch die die Besucher hin- aus aufs Meer katapultiert wurden – so wie man es mit den Raketen im Cuxhaven der 60er Jahren gemacht hat.
Gefördert durch
Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
EWE-Stiftung
Stiftung der Stadtsparkasse Cuxhaven
Niedersachsen Ports
Lang Yarns
EMME
Landschaftsverband der ehemaligen Herzogtümer Bremen und Verden
Kulturgut Cuxhaven Interessengemeinschaft Lotsenviertel Cuxhaven activ e.V.